Das Foto zeigt Teilnehmer_innen und Leiter_innen des Seminars in Alsdorf.
© Tim Griese/Super Mittwoch Alsdorf

Gesamtschüler sind jetzt Experten

Projekt intensivierte Auseinandersetzung mit Rassismus – Weitergabe des Wissens im Unterricht

Super Mittwoch Alsdorf vom 10.05.17


Von Tim Griese


ALSDORF. Schulleiter Martin Mey hat sich einen Stuhl geschnappt und hinten, etwas abseits des Geschehens niedergelassen. Heute ist er nur Zuschauer. Das Mikrofon hält Hans Peter Gerlich vom Berliner Verein „Bildungsbausteine“ in der Hand. Er und seine Partner Özlem Topuz und Wolf van Vugt haben sich gemeinsam mit rund 30 Neuntklässler der Gustav-Heinemann-Gesamtschule eine Woche lang intensiv mit Rassismus und Antisemitismus auseinandergesetzt. Am Ende haben die Teilnehmer Filme gedreht, die sie ihren Mitschülern nun in der Mensa auf der großen Leinwand präsentieren. Schulleiter Mey nickt zufrieden: „Für die Schüler ist das ein anderer Zugang zu diesen Themen mit Hilfe von externen Experten. Das ist eine wichtige Ergänzung zum Fach Geschichte.“

Was genau ist eigentlich Rassismus? Welche Arten von Diskriminierungsformen gibt es? Wie entstehen Vorurteile? Die Fragen, die sich die Schüler in drei Kleingruppen stellten, waren vielfältig, ebenso wie die Informationen, die sie sammelten, etwa darüber, wohin Menschen auf der Welt eigentlich flüchten und wie die Reichtümer verteilt sind.

Zum dritten Mal ist der Verein „Bildungsbausteine“ im Rahmen eines Bundesprojektes an der Alsdorfer Gesamtschule zu Gast. Das Projekt läuft fünf Jahre lang an jeweils drei Schulen in NRW und Brandenburg. „Wir sind am Anfang rumgetourt, haben Interessen abgeklopft und Feedback eingeholt“, berichtet Wolf van Vugt über die Kontaktaufnahme mit seiner „Lieblingsschule“. Und die Alsdorfer seien besonders überzeugt von der Idee gewesen. Kein Wunder eigentlich, wie Lehrerin Sibel Yilenci erklärt: „Wir machen hier auch sonst viel gegen Rassismus an der Schule.“

Sie und Christiane Buchholz, die das Projekt von Lehrerseite betreuen, sind voll des Lobes für die teilnehmenden Schüler, die sich in ihren Klassen dafür gemeldet haben oder von ihren Lehrern gefragt wurden: „Sie alle waren mit Leidenschaft dabei und sind zu Experten geworden, die ihr Wissen im kommenden Schuljahr an ihre Mitschüler weitergeben.“ Dann steht nämlich das Thema Nationalsozialismus im Gesellschaftsunterricht an.

In einem praktischen Teil haben die Schüler zu Beginn der gemeinsamen Woche auf anschauliche Weise und praktisch orientiert viel Wissen mitbekommen. Dann ließen sie das Erlernte in kleine Abschlussfilme einfließen, die sie selbst drehten und produzierten. Bei der Vorführung geht es darum, alle anderen Schüler an ihren Ergebnissen teilhaben zu lassen. Zu sehen sind Interviews mit Passanten, denen die Schüler Fragen zu Rassismus, Antisemitismus und auch zu Homophobie gestellt haben. Beim Projekt haben die Schüler aber nicht nur ihr Wissen ausgebaut, sondern auch Erfahrungen im eigenen Umgang mit Menschen gemacht, die vielleicht anders aussehen oder von denen man sich gleich ein Bild macht, ohne den Charakter zu kennen. Pascal Ruland etwa berichtet später: „Ich gehe jetzt offener durchs Leben und beurteile die Menschen nicht mehr so sehr nach dem Äußeren.“ Und auch Charleen Klink sagt: „Ich bin darin bestätigt worden, dass die inneren Werte zählen.“

Mit freundlicher Genehmigung des Super Mittwoch Alsdorf.

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